Winzer im Weinberg, Sonnenuntergang

Handwerkskunst

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Die Cuvée: eine Jahrtausende alte Kunst

Ein Anbauboden ist auch das Resultat menschlichen Handelns. Er ist nicht nur durch die Natur und die natürlichen Gegebenheiten bedingt, sondern die Synthese aus natürlichem Potenzial und menschlicher Arbeit. In letztere Kategorie muss man die Auswahl der Rebsorte(n) – also der Traubenart – mit einschließen, grundlegende Basis des Weines, die seine wichtigsten Geschmackseigenschaften bestimmt. Indem der Önologe den Charakter mehrerer Rebsorten miteinander kombiniert, verfügt er über eine Palette, mit der er auf das Profil des Weines Einfluss nehmen kann: Soll der Wein eher fruchtig, würzig, strukturiert sein? Benötigt er Säure? Einen Hauch von Bitterkeit? Das Verschneiden verschiedener Rebsorten erfordert ein beträchtliches Know-how, das sich vor allem auf die Erfahrung vorausgehender Keltervorgänge und auf die Weinbautradition stützt, die jeder Region zu eigen ist. Stellen Sie sich einen großen Chefkoch vor, der sein Rezept nur einmal im Jahr ausarbeitet! Die Geschichte spielt hier eine entscheidende Rolle, sowohl in der Beherrschung der Verschnitttechnik als auch bei der Auswahl der je nach Anbauboden am besten geeigneten Rebsorten.

23 zugelassene Rebsorten: eine besonders reiche Vielfalt

Die AOC Côtes du Rhône kann bei der Weinerzeugung auf bis zu 23 Rebsorten zurückgreifen. Die Palette ist vielfältig. Die Weine der regionalen Appellation Côtes du Rhône und der Appellation Côtes du Rhône Villages sind Cuvées par excellence – noch mehr als in Bordeaux. Von den verwendeten Rebsorten sind manche für ihre Qualität und ihre aromatische Finesse weltberühmt, wie zum Beispiel Viognier, Syrah, Grenache, Mourvèdre, Marsanne oder Roussanne. Die ersten beiden sind an den Ufern der Rhône beheimatet; die beiden darauffolgenden, die aus Spanien stammen, zeigen ihre Anpassungsfähigkeit an starke Hitzewellen in der südlichen Hälfte des Rhônetals. Die genannten Rebsorten müssen, allein oder miteinander verschnitten, mindestens 70 bis 80 % der Komposition der Weine der Côtes du Rhône ausmachen. Sie garantieren den Weinen unserer Appellationen eine gemeinsame Geschmacksidentität und lassen den Önologen die Möglichkeit, das ganze Potenzial ihres Anbaubodens und die Vielfalt unseres Weinbaugebiets zum Ausdruck zu bringen.

„GSM“: die DNA der Appellation

Grenache, Syrah und Mourvèdre sind die drei Hauptrebsorten in den Rotweincuvées der Côtes du Rhône. Traditionell waren die Rotweine in der Region immer in der Mehrheit; heute machen sie 86 % der Weinproduktion aus. Diese drei Rebsorten können mit weiteren, sogenannten sekundären Rebsorten kombiniert werden, welche in geringeren Anteilen der finalen Cuvée ihre jeweilige Note verleihen.

Die Syrah ist die legendäre Rebsorte des Nordens der Côtes du Rhône, insbesondere bei den Crus, bei denen sie dominiert. Sie sorgt für kräftige Aromen mit einem Hauch von schwarzer Johannisbeere, Heidelbeere, Veilchen und Brombeere und für ein Alterungspotenzial, das sie in den Rang der größten Weine Frankreichs erhebt. Sie gehört zu den meist angebauten Rebsorten der Welt und hat insbesondere die renommiertesten Winzer der Neuen Welt inspiriert. In den Côtes du Rhône jedoch wird die Syrah meist von den anderen Rebsorten, Grenache und Mourvèdre, begleitet.

Die beiden aus Spanien stammenden Rebsorten kamen ab dem Mittelalter nach Frankreich, vermutlich über Pilger, die aus Santiago de Compostela zurückkamen. Die Mourvèdre kommt aus der Region von Valencia und breitete sich in Frankreich insbesondere im Rhônetal aus.

Mourvèdre und Grenache sind an sommerliche Hitzewellen angepasst, benötigen aber tiefe, kalkhaltige Böden. Ihr Anbau dominiert in der südlichen Hälfte der Côtes du Rhône. Von den Winzern dieser mediterranen Region werden sie manchmal der Syrah vorgezogen, denn sie können selbst in außergewöhnlich heißen Sommern perfekt ausreifen. Sie verleihen den Weinen der Côtes du Rhône in ihrer Jugend komplexe, reiche, fruchtige Aromen, sorgen im Reifeprozess für Vollmundigkeit und noch mehr Würze und tragen zu einer schönen rubin- bis dunkelroten Färbung bei.

Die Kombination der 3 Rebsorten, aus denen sich die DNA der Côtes du Rhône zusammensetzt, ergibt Weine, die zugleich strukturiert, aromatisch und alterungsfähig sind.

Die ergänzenden Rebsorten der Côtes du Rhône

Die anderen Rebsorten, die als „ergänzend“ bezeichnet werden (Bourboulenc, Carignan, Cinsaut, Muscardin, Terret Noir, Ugni Blanc, etc.) werden im Allgemeinen in geringeren Mengen in den Cuvées verwendet. Manche von ihnen stammen aus der Region (Muscardin, Roussanne, Marsanne), andere aus Spanien (Carignan) oder Italien (Ugni Blanc). Ihre Rolle besteht darin, die Charakteristika der Hauptrebsorten abzurunden, indem sie diese um Säure und Komplementäraromen ergänzen. Unter diesen Rebsorten ist die Carignan ein gutes Beispiel dafür, wie sich Önologen mit neuen Weinbautechniken an die Klimaschwankungen anpassen. Nachdem die Rebsorte lange Zeit vernachlässigt wurde, weil sie schwer zu beherrschen ist, wird sie nun wieder verstärkt eingesetzt und bringt Aromen von Himbeere, Kirsche und Brombeere mit sowie einen Hauch von Leder, Veilchen und sogar Garrigue.

Die Wiege der Stars: Viognier, Syrah, …

Viognier und Syrah gehören zu den legendären Rebsorten der Côtes du Rhône. Ihre Besonderheit ist, dass sie aus der Region stammen und Weine hervorbringen, die zugleich kräftig, aromatisch und elegant sind und ein Alterungspotenzial von vielen Jahren haben. Ihr Ruf ist so gut, dass sie heute vielfach in aller Welt angebaut werden.

In den fünfziger Jahren stand Viognier mit weniger als 30 verzeichneten Hektar kurz vor dem Aus. Aber man hatte nicht mit dem Willen von Georges Vernay, Winzer und Pate von Condrieu, gerechnet, der die alten Terrassen seiner Kommune oberhalb des Rhônetals neu erschloss und begann, die Rebsorte dort wieder zu pflanzen. Er verteidigte sie und verschaffte ihr eine prosperierende Zukunft, indem er aus ihr trockene, kräftige Weine von einer außergewöhnlichen Fülle und Komplexität erschuf, mit Aromen von kandierter Aprikose und weißen Blüten, die sie ihrer späten Reife verdanken. Die legendäre Rebsorte aus Condrieu wird heute im gesamten Gebiet der Côtes du Rhône großflächig angebaut und erzeugt besonders vollmundige Weißweine. Dank ihres hervorragenden Rufes verbreitete sich Viognier in ganz Frankreich, in sämtlichen Mittelmeerregionen, in Europa, Kalifornien, Südafrika und Australien.

Syrah wiederum hat so mysteriöse Ursprünge, dass französische und amerikanische Forscher ihre DNA untersuchten, um zu zeigen, dass sie das Ergebnis einer natürlichen Kreuzung aus einer Rebsorte der Ardèche und aus Savoyen ist. Die Legende erzählt, dass sich der Ritter von Sterimberg nach seinen Gefechten gegen die Albigenser an die Hänge von Tain-l’Hermitage zurückzog, um sie anzubauen. Die Rebsorte wächst vorrangig im Norden der Côtes du Rhône auf Granitböden, wo sie den Weinen würzige Aromen von schwarzer Johannisbeere, Heidelbeere, Veilchen und Brombeere verleiht; mit der Reife kommen dann Sekundäraromen von Leder und Pelz. Sie ist die dominierende Rebsorte der Crus des Rhônetals. Ihre Qualitäten sind so überzeugend, dass sich ihre Anbaufläche in den letzten 50 Jahren verzwanzigfacht hat. Die Syrah ist so renommiert, dass sie heute in allen großen Weinbauländern angebaut wird (in absteigender Reihenfolge in Australien, Spanien, Südafrika, USA und weiteren Ländern) .

Eine Inspirationsquelle für die Neue Welt

Die Rhone Rangers sind eine gemeinnützige Vereinigung amerikanischer Weinmacher mit Sitz in Kalifornien, auf halbem Wege zwischen San Francisco und Los Angeles. Diese Gruppe, die sich in den 1980er Jahren gebildet hat, zählt aktuell über hundert Mitglieder. Die Rhone Rangers bekennen sich kulturell zu den Weinen der Côtes du Rhône und ihren Rebsorten: Syrah an erster Stelle, aber auch Grenache, Mourvèdre, Cinsault, Carignan, Viognier, Roussanne, Marsanne, etc.

Im Lauf der achtziger Jahre wurden in Kalifornien umfangreiche Neupflanzungen von Rebstöcken aus dem Rhônetal vorgenommen. Die Amerikaner verstanden, dass die Gewächse aus Bordeaux und Burgund nicht mehr die einzige Referenz von Rebsorten französischen Ursprungs sein konnten, die auch in den USA Weine von einer großen Finesse hervorbringen.

So wurde also nicht nur der Weinbau, sondern auch das Keltern der Weine der Côtes du Rhône, also das Know-how und die Handwerkskunst der Winzer, nach Kalifornien und in andere amerikanische Staaten exportiert. Die Côtes du Rhône inspirierten außerdem zahlreiche Winzer der Neuen Welt, insbesondere in Australien.

Darauf können die Winzer und Händler aus dem Rhônetal wirklich stolz sein – auch wenn die Côtes du Rhône selbst natürlich unnachahmlich bleiben!